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Körperschonende OP-Methoden etabliert

Gute Sichtkontrolle für den Chirurgen, schonende Lagerung auf dem OP-Tisch, gute Blutstillung, Schonung der Harnröhre, minimiertes Risiko für Inkontinenz, verminderte Katheterliegedauer: Die neue STARP-Methode bei Prostataoperationen bringt viele Vorteile. Entwickelt hat sie der Bozner Urologe Dr. Christian Gozzi. Er nutzt dabei die Blase als „Werkstatt“ für die Prostata-Modellage – abgestimmt auf Alter und funktionelle Erwartungen des Patienten. Es ist nicht die erste OP-Technik im urologischen Bereich, die er auf den Weg gebracht hat. Die neuen Behandlungsansätze stellt er bei Kongressen auf der ganzen Welt vor. Im Interview erklärt er die beiden Methoden, die er auch an der CityClinic in Bozen anwendet.
Herr Dr. Gozzi, Sie stellen derzeit eine neue OP-Methode weltweit vor. Worum geht es dabei?
Dr. Christian Gozzi: Es geht um OPs bei gutartiger Vergrößerung der Prostata. Die häufigsten Prostataoperationen sind die transurethrale Entfernung des Prostatagewebes und die Laser-OP der Prostata. Dabei muss der Chirurg durch die leicht verletzliche, nur geringen Instrumentendurchmesser erlaubende Harnröhre arbeiten. Da kann der Schließmuskel, der für das „Dichtbleiben“ verantwortlich ist, leicht durch Temperatur, mechanische oder strombedingte Einflüsse geschädigt werden. Genau hier liegt das Problem bei operativen Eingriffen.

Inwiefern?
Dr. Gozzi: Wie schon gesagt: Es gibt keinen großen Spielraum in der Harnröhre. Deshalb muss man extrem präzise arbeiten. Sehr oft entstehen durch das Durchfahren mit Instrumenten Verletzungen, Engen und Schäden – was in späterer Folge zu bleibender Inkontinenz führen kann. Aus diesen Überlegungen heraus habe ich die neue Methode entwickelt, bei der mit einer Sonde von oben gearbeitet wird, also nicht durch die Harnröhre.

Wie genau?
Dr. Gozzi: Ich habe einen schonenden alternativen endoskopischen Zugang für die Elektroresektion der Prostata von außen durch den Unterbauch und direkt durch die Blase etabliert. Dadurch ist der Chirurg mit seinem Instrument nicht an die enge Harnröhre als Zugang gebunden. So kann das Instrument der Prostatagröße angepasst werden. Durch diesen Eingriff von oben kann man bleibende Inkontinenz ausschließen und auch vorübergehende postoperative Harnverluste und Harnröhrenbrennen kommen kaum einmal vor. Man hat eine gute Sichtkontrolle, gute Blutstillung und dadurch minimale Katheterverweildauer. Diese Methode bringt für den Patienten somit viele Vorteile. Die Inzisionsstelle ist nach zwei, drei Monaten nicht mehr sichtbar.

Sie haben schon vor fast 20 Jahren eine neue OP-Technik entwickelt, damals eine neue Schlingenmethode für Inkontinenz beim Mann, die jetzt weltweit angewandt wird. Können Sie erklären, wie das gemacht wird?
Dr. Gozzi: Diese Methode habe ich vor fast 20 Jahren an der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Medizintechnikunternehmen entwickelt, sie wurde weltweit als „Advance Sling System“ patentiert. Sehr oft wird diese Operation nötig, um Schäden von Prostataoperationen zu beheben, bei denen vielfach Inkontinenz als Folgeerscheinung zurückgeblieben ist.

Wie wird diese OP durchgeführt?
Dr. Gozzi: Bei der Schlingentechnik wird ein spezielles Band – die „Schlinge“ – operativ unter die Harnröhre gelegt. Ziel ist es, die Harnröhre von außen zu stützen und leicht anzuheben, sodass sie bei Druck – etwa bei Husten oder Heben – wieder besser „dichtmacht“. Man kann sich das wie eine Hängematte vorstellen, die die Harnröhre von unten stützt. Das Band besteht aus einem gut verträglichen Kunststoffmaterial und wird durch kleine Hautschnitte zwischen Damm und Beckenboden eingebracht. Der große Vorteil der Schlingentechnik liegt in ihrer minimalinvasiven, körperschonenden und funktionserhaltenden Herangehensweise.

Sie wenden die von Ihnen entwickelten Methoden auch an der CityClinic in Bozen an?
Dr. Gozzi: Ja, natürlich. Außerdem geht es vielfach um Harnröhrenrekonstruktion – weil Verengungen, Verletzungen, Vernarbungen oft nach Eingriffen durch die Harnröhre behoben werden müssen. Auch die Prothetik ist mein Spezialgebiet. Heute gibt es hoch entwickelte Implantate und Prothesen. Bei einer Harnröhrenrekonstruktion kommt Mundschleimhaut oder Vorhaut zum Einsatz. Bei schwerer Inkontinenz kann ein künstlicher Schließmuskel eingesetzt werden. Und bei schwerer Erektionsstörung kann eine Penisprothese implantiert werden. Diese ist von außen nicht sichtbar, fühlt sich im Ruhezustand natürlich an – und kann Männern ein aktives Sexualleben zurückgeben.
Dr. Christian Gozzi
Dr. Christian Gozzi ist 1960 in Bozen geboren. Nach dem Medizinstudium in Wien und Innsbruck folgt die Facharztausbildung für Urologie am Ev. Krankenhaus in Oberhausen (D). 1993-1999 arbeitete er als Oberarzt am Krankenhaus Brixen, in den Jahren 2000 und 2001 als leitender Oberarzt im Krankenhaus Ried im Innkreis, an der Kinderurologie BHS Linz und anschließend als Oberarzt am AKH Wien, von 2003 bis 2007 als Oberarzt an der Universitätsklinik Innsbruck und 2007-2010 als Oberarzt am Universitäts- klinikum Großhadern/München. 2010-2013 Primar der Urologie am Krankenhaus Brixen. 2010-2020 Vertragsprofessur an der Uni Pisa, lehrt Inkontinenzchirurgie und Harnröhrenchirurgie, auch bei Masterkursen. 2013-2017 niedergelassener Urologe in Bozen und seit 2018 mit Ambulatorium in der CityClinic in Bozen, mit Konsiliarverträgen am HSR San Raffaele Mailand, Bios Roma sowie Privatkliniken Mater Dei und Villa Margherita in Rom, Krankenhaus Leoben, Klinik Beau Site und Saalemspital Bern, Klinikum Starnberg und München. Seit 2006 hunderte Gastoperationen und Vorträge über Inkontinenz und Harnröhrenchirurgie weltweit.